Die hybride Welt in den Wolken

26.03.2021.

Marc Laszlo – Cloud Lead, Avectris

Die Frage Cloud oder nicht stellt sich heute nicht mehr. Für die meisten Unternehmen ist die “richtige” Cloud-Lösung eine hybride Cloud-Architektur. Warum es ohne sie (noch) nicht geht, aber mit ihr die Herausforderungen bei einer Cloud-Transformation erst richtig beginnen.

Bedingt durch den aktuellen Reifegrad der meisten IT-Plattformen funktionieren pure Cloud-Services noch nicht für die gesamte Anwendungslandschaft eines Unternehmens. Dies, da bei vielen Anwendungen der spezifisch benötigte On-Premise-Funktionsblock (z. B. die Anwendungslogik) sowie ein bereits cloud-fähiger Anteil (z. B. Computer) der Zielarchitektur (noch) nicht vorhanden ist. Ausnahmen sind dezidierte SaaS-Lösungen (z. B. CRM) oder IaaS-Produkte (z. B. DBaaS), da umfassende technologische Abhängigkeiten zu vorhandenen Legacy Stacks bestehen, die ebenfalls auf pure Cloud-Lösungen migriert werden müssen. Aus diesem Grund migrieren Unternehmen bevorzugt Anteile ihrer IT-Landschaft, die mit keinen oder nur sehr geringen Abhängigkeiten wirtschaftlich als pure Cloud-Services nutzbar sind.

Diese Limitation mit den daraus folgenden dualen Lösungsarchitekturen führt zwangsweise zu einem hybriden Szenario mit verschiedenen strukturellen Herausforderungen: der “hy­briden Welt in den Wolken”. “Hybrid” bedeutet in diesem Kontext, dass diverse Komponenten von Anwendungsarchitekturen – gegebenenfalls multiple Cloud-Services – in Kombination mit vorhandenen Legacy-Lösungen funktional über den gesamten Lebens­zyklus effizient und sicher orchestriert werden müssen.

Herausforderungen bei Planung und Umsetzung
Zukünftig werden immer mehr spezialisierte Branchenlösungen für die native Digitalisierung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens als pure Cloud-Services verfügbar sein und dadurch eine Migration der entsprechenden Anwendungssysteme signifikant vereinfachen. Erst diese Entwicklung ermöglicht die Auflösung der historisch gewachsenen Technologiesilos mit realistischen Migrationsaufwänden sowie einem akzeptablen Risikoprofil für die zu erwartenden Geschäftsauswirkungen.

Für folgende beispielhafte Herausforderungen müssen bei der strategischen Planung sowie operativen Implementierung von hybriden Szenarien pragmatische Lösungen gefunden und effizient umgesetzt werden:

  • Wirksame Automatisierung des operativen Managements der hybriden Architektur

  • Gewährleitung der End-to-End-Security-Architektur der On-Premise- und Cloud-Services

  • Sicherstellung des lückenlosen Monitorings und Reportings aller beteiligten Komponenten

  • Konsequente Einhaltung aller relevanter Unternehmensstandards und Compliance-Regularien

  • Unterbrechungsfreie Integration der Service-Desk- und Service-Management-Prozesse

  • Integration in das Enterprise-Architektur-Management mit voller Kostentransparenz

  • Adaption der Veränderungen an den integrierten Services durch die Cloud-Anbieter

  • Realisierung der Anbindung von zusätzlich notwendigen Third-Party-Komponenten

  • Einbindung von Serviceprovidern zur Nutzung von Outsourcing-Angeboten

  • Diese Herausforderungen geben einen ersten Überblick über die bestehenden Handlungsfelder, um hybride Architekturen aus On-Premise und pure Cloud-Services kostenoptimal planen, implementieren und betreiben zu können.

Um hybride Szenarien effizient über den gesamten Lebenszyklus von Anwendungen managen zu können, müssen Unternehmen die dazu notwendigen Cloud-Migrationen detailliert planen und alle dazu notwendigen Aspekte vollständig berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise die Auswahl einer passenden Migrationsstrategie oder die Entscheidung für ein kostenoptimales Bezahlmodell der prognostizierten Nutzungsaufwände der einzelnen Cloud-Services. Hybride Cloud-Architekturen sind auf Grundlage der aktuell verfügbaren Technologien mit diversen Vorteilen für Unternehmen effizient realisierbar, müssen aber kontinuierlich an die Veränderungen der genutzten IaaS- und PaaS-Services angepasst werden.

Derzeitige Limitationen von IT-Plattformen führen dazu, dass hybride Cloud-Architekturen die sinnvollste Lösung für viele Unternehmen darstellen. Welche Faktoren bei Cloud-Transformationen berücksichtigt werden müssen, erklärt Marc Laszlo, Cloud Lead bei Avectris.
Interview: Colin Wallace

Welche Cloud-Provider werden für den Schweizer Markt zukünftig von Bedeutung sein?
Marc Laszlo: Mit dem Markteintritt von Microsoft Azure in der Schweiz nehmen wir bei unseren Kunden eine starke Nachfrage nach entsprechenden Cloud-Services wahr. AWS und Google haben ähnliche Pläne und werden in den nächsten Monaten sicherlich mit vergleichbaren Angeboten präsent sein.

Wie beurteilen Sie die Zielsetzung bezüglich geringerer Cloud-Betriebskosten versus On-Premise?
Die Aufwände für Betriebskosten müssen im Vorfeld möglichst genau analysiert werden und das Lastverhalten über ein, zwei Jahre prognostizierbar sein. Hyperscaler bieten unterschiedliche Preismodelle an, die durch eine intelligente Kombination eine wesentliche Kostenreduktion zum Standard-On-Demand-Preis der jeweiligen Plattform ermöglichen. Nach unserer Erfahrung ist es sinnvoll, ressourcenintensive Anwendungskomponenten nicht durch einen Cloud-Service zu ersetzen, da dieser meistens hohe Nutzungskosten in Verbindung mit hohen Netzwerkkosten auf den Cloud-Plattformen generiert.

Wie können Kunden diese Herausforderung meistern?
Neben der erwähnten Planbarkeit des Lastverhaltens ist eine kontinuierliche Überprüfung des tatsächlichen Verbrauchs sowie der zeitpunktgenauen Peak-Last-Anforderungen notwendig, um die möglichen Preisbausteine kostenoptimal kombinieren zu können. Zum Beispiel benötigen Webserver sowie Datenbanken bei einer Produkteinführung oder Sales-Kampagne punktuell mehr Ressourcen als im Standardbetrieb ohne zusätzliche Trigger für Lastspitzen.

Welche Grenzen für die Migration von Anwendungslandschaften sehen Sie bei der Realisierung von hybriden Cloud-Szenarien?
Es müssen primär die End-to-End-Limitationen von Roundtrip-Zeiten sowie das Latenzverhalten bei Migrationsstrategien für Anwendungen berücksichtigt werden. Je sensibler ein IT-Service auf Verzögerungen im Antwortzeitverhalten reagiert, desto genauer muss eine mögliche Cloud-Transformation kritisch überprüft und getestet werden, um die Servicequalität nicht negativ zu beeinträchtigen.

Welche Vorgehensweise hat sich bei Avectris für Cloud-Transformationen bewährt?
Wir konzentrieren uns für die Planung und Steuerung auf ein einfaches und stringentes Vorgehensmodell. Zuerst analysieren wir die IT-Landschaft und erstellen eine Cloud-Heat-Matrix auf deren Grundlage wir Business Cases erstellen. Danach gruppieren wir die IT-Komponenten in mehrere Migrationscluster mit einer jeweils individuellen Mi­grationsstrategie – etwa “Lift & Shift”. Abschlies­send definieren wir aus den Rahmenbedingungen – Zeit, Kosten, Ressourcen und Risikotragfähigkeit – effiziente Umsetzungspakete auf Grundlage der definierten Migrationscluster.

Erleben Sie eine Veränderung in der Bereitschaft, ­Public-Cloud-Services für sensible Daten zu nutzen?
Ja, sowohl in Kundengesprächen wie auch in Offertanfragen stelle ich über alle Branchen hinweg eine Zunahme der Bereitschaft fest, auf native Cloud-Services zu migrieren. Anfragen bezüglich “Cloud Only”-Strategien, also die gesamte Office-IT sowie Fach­applikationen und ERP-Systeme sukzessive auf eine Public-Cloud-Plattform zu migrieren, sind an der Tagesordnung. Vor 18 Monaten wäre dies für viele Unternehmen nur schwer vorstellbar gewesen. Trotzdem glaube ich, dass IT-Services in der nächsten Dekade von hybriden Multi-Cloud-Architekturen geprägt sein werden.

Was ist Ihre Einschätzung zur künftigen Nutzung von Cloud-Plattformen sowie Public-Cloud-Services?
Ich glaube, wir werden eine immer schnellere Migration von On-Premise-IT-Komponenten zu Public-Cloud-Services erleben, bei gleichzeitiger Zunahme der Leistungsfähigkeit und Varianz der entsprechenden IaaS- und PaaS-Services. Speziell bei Container- und Serverless-Plattform-Angeboten hat dieser Trend in den letzten Monaten auf dem Schweizer Markt deutlich zugenommen.

Quelle und gesamter Artikel: netzwoche.ch

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