Wir brauchen statt gewerkschaftlichen Horrorbildern eine Chance für Innovationen

30.06.2021.

Walter Steinmann | Steinmann Consulting

Letzte Woche fanden die 7. Swiss-US Energy Innovation Days statt, rein virtuell natürlich, aber mit vielen spannenden Präsentationen von Akteuren beider Nationen. Im Chat meldete sich auch Dub Taylor, der ehemalige Energieverantwortliche von Texas. Dort fanden 2019 die letzten physischen Swiss-US Energy Innovation Days vor der Pandemie statt. Dub berichtete, dass den Texanern nach den tagelangen Blackouts während der Kältewelle im Februar nun bereits eine neue Versorgungskrise drohe. Denn aktuell gibt es eine Hitzewelle. Und schon wieder ruft der texanische Übertragungsnetzbetreiber ERCOT die Bevölkerung zum Stromsparen auf, um das Netz stabil zu halten. Einer der Gründe für die andauernden Stromversorgungsprobleme im Bundesstaat Texas ist die Tatsache, dass das texanische Stromnetz praktisch eine Insel ist: Es fehlen Übertragungsleitungen zu den Nachbarstaaten, die bei Bedarf zusätzlichen Strom zur Verfügung stellen könnten.

Am Anfang: Der Stern von Laufenburg

In der Schweiz ist das ganz anders: Wir sind mit 41 grenzüberschreitenden Hochspannungsleitungen mit unseren Nachbarstaaten verbunden. 1958 zählte die Schweiz zu den Initianten einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Stromsektor. Damals wurde der Stern von Laufenburg gegründet, der die nationalen Stromnetze von Deutschland, Frankreich und der Schweiz verband. Die Zusammenarbeit wurde seither massiv verstärkt, es wurden Märkte für die Zusammenarbeit und den Ausgleich entwickelt. Heute sorgt ein sorgfältig austariertes europäisches System für Versorgungssicherheit auch im Krisenfall. Doch aktuell – und wohl noch für einige Zeit – ist unsere Mitwirkung an diesem europäischen Verbundsystem und der Einsitz in dessen Entscheidgremien stark eingeschränkt, weil sich die Schweiz vom Rahmenabkommen verabschiedet hat. Deshalb kommt auch das geplante Stromabkommen, zumindest in naher Zukunft, ebenfalls nicht zustande.

Es diktiert nicht die EU-Kommission, sondern die Mitgliedsländer bestimmen

In der Schweiz ist es den Gegnern einer geordneten Zusammenarbeit mit der EU in den letzten Jahren gelungen, die EU schlecht zu reden und einen veritablen Glaubenskrieg anzuzetteln. Für mich ist die EU aber noch immer ein Friedensprojekt: Noch nie hatten wir derart lange keinen Krieg in Kerneuropa. Die Institution EU als neoliberale Dampfwalze zu karikieren, die sich gegen alle nationalen Interessen durchsetzt, ist nicht gerechtfertigt. Die Mitgliedsländer der EU haben durchaus einen grossen Einfluss auf die Gesetzgebung und den Vollzug. Ähnlich wie bei uns die Kantone wichtige Player beispielsweise in der Energiepolitik sind. So kann sich in der EU auch ein kleines Land wie Luxemburg behaupten und seine Interessen durchsetzen. Mein ehemaliger Kollege, Tom Eischen, der luxemburgische Commissaire de l‘énergie, hat es mir treffend geschildert: 80% aller Regulierungsvorlagen der Kommission unterstützen wir konstruktiv und zukunftsorientiert. Bei den restlichen 20%, die uns stark beeinträchtigen würden, setzen wir uns für unsere spezifischen Interessen ein und machen den anderen klar, dass es für uns existentiell ist. So findet sich auch für ein EU-Mitgliedsland wie Luxemburg, das dieselbe Einwohnerzahl wie der Kanton Aargau hat, meist ein Kompromiss, der seinen Bedenken bestens Rechnung trägt.

Roger Köppels Lob muss jedem Gewerkschafter zu denken geben

Nun hat der Bundesrat die Verhandlungen zum Rahmenabkommen also abgebrochen. Und der Rechtsaussen Roger Köppel findet dafür im Parlament lobende Worte und erhebt im gleichen Atemzug die Gewerkschaften – als Gegner des Rahmenabkommens – zu Verteidigern der schweizerischen Freiheit. Spätestens da sollten sich bei jedem Gewerkschafter und jeder Sozialdemokratin die Nackenhaare sträuben. Ich jedenfalls habe meinen Mitgliederbeitrag an meine Gewerkschaft gestoppt. Denn ich kann dieses ideologische Powerplay nicht unterstützen, das an den langfristigen Interessen der Arbeitnehmenden komplett vorbeizielt. Denn zweifelsohne hätten sich für die noch offenen Punkte bei den Verhandlungen zur Entsenderegelung Lösungen finden lassen, umso mehr als die EU ja selbst ähnliche Bestimmungen am Umsetzen ist.

Das Gespenst von Arbeitslosigkeit und Lohndumping gehört in die Mottenkiste

Ähnlich ideologisch geht es nun in den Diskussionen um die vollständige Strommarktöffnung weiter. Sie ist Teil des Strom-Pakets, das der Bundesrat vergangenen Freitag ans Parlament überwiesen hat. Seit 20 Jahren malen die Gewerkschaften das Gespenst der hohen Arbeitslosigkeit und der sinkenden Löhne an die Wand, die durch den Wettbewerb im Strommarkt verursacht würden. Selbst hohe Politikerinnen argumentieren, Strom sei keine Ware, die auf dem Markt gehandelt werden dürfe, weil sonst der Service Public verloren gehe. Doch Tatsache ist: Heute werden bereits fünf Sechstel des in der Schweiz konsumierten Stroms über den Markt im freien Wettbewerb beschafft und ich sehe weit und breit nichts von Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen in der Strom- und Energiebranche. Vielmehr suchen die Unternehmen händeringend nach qualifizierten Leuten, die als Solarteure, Gebäudetechnikerinnen oder Netzelektriker mithelfen, die Energiewende voranzutreiben. Schluss also mit diesen Horrorbildern aus gewerkschaftlichen Tierbüchern!

Wettbewerb mit Pfiff statt einheitliches Zwangsmenu

Es ist bedauerlich, dass die Gewerkschaften und mit ihr viele in der SP alles tun, um uns als Konsumentinnen und Konsumenten auch beim Strom eine echte Wahl zu verunmöglichen. Und so auch noch gleich der wachsenden Zahl an Prosumentinnen verbieten, ihren selbst produzierten Solarstrom auf dem Markt frei zu verkaufen. Das Standardangebot für die Kleinkonsumenten in der Grundversorgung muss ja gemäss dem bundesrätlichem Vorschlag aus erneuerbarem, inländischem Strom bestehen. Dumpingangebote mit deutschem Kohlestrom sind also nicht zu befürchten. Der Wettbewerb im offenen Markt beflügelt aber Innovationen, nimmt uns als Kundeninnen und Prosumenten ernst und stellt massgeschneiderte Angebote für unsere spezifischen Bedürfnisse bereit. Schon heute gibt es eine ganze Reihe von pfiffigen Start-ups, die Lösungen dafür anbieten. Wenn sich nun auch die Elektrizitätsunternehmen vom Wettbewerb beflügeln lassen, dann dürfen wir uns künftig statt auf ein Zwangsmenu auf eine vielseitige und nachhaltige Energiekost freuen.

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