Paradox unproduktiv: die Digitalisierung und die Produktivität

04.11.2019.

Die Digitalisierung hat offenbar keine Auswirkungen auf die Produktivität. Warum ist das so? An den Innovationen liegt es nicht, es fehlt an mutigen Investitionen. Benedikt Herles über ein Paradox der digitalen Revolution

Die landläufige Digitalisierungsdebatte ist von hartnäckigen Widersprüchen geprägt. Vehement hält sich die Furcht vor technologiebedingter Arbeitslosigkeit. So mancher Fernsehphilosoph predigt, die Zukunft würde Millionen unbeschäftigter Bundesbürger mit sich bringen. Wenn immer mehr Wertschöpfung von künstlichen Intelligenzen übernommen wird, so die übliche Argumentation, bleibt für den Menschen nicht mehr viel zu tun.

Dieser Prognose fehlt jede historische Referenz. Frühere industrielle Revolutionen hatten durchaus schreckliche soziale Verwerfungen zur Folge. Natürlich geraten gerade mittlere und niedrige Einkommen unter Druck, wenn der komparative Vorteil menschlicher Arbeitnehmer gegenüber Maschinen abnimmt. Wer seinen Job in der Fertigung oder im Büro verliert, muss sein Glück womöglich im schlechter bezahlten Dienstleistungssektor versuchen.

So lief es bereits im sich industrialisierenden England des 19.Jahrhunders. Aber eine dauerhaft anhaltende Massenarbeitslosigkeit war noch nie das Resultat von technologischen Umbrüchen. Die Realität in Deutschland bietet momentan auch ein ganz anderes Bild: Beschäftigung auf Rekordhoch und akuter Fachkräftemangel.

Der eigentliche Logikbruch entsteht durch einen anderen Widerspruch. Denn Software und Roboter haben die Volkswirtschaft in jüngster Vergangenheit überraschenderweise kaum effektiver gemacht. Das Gegenteil ist der Fall: Heimische Unternehmen haben mit einem stagnierenden Wachstum der Arbeitsproduktivität zu kämpfen. Seit dem Ende der Finanzkrise verbessert sich die reale Stundenproduktivität des verarbeitenden Gewerbes kaum noch. Das ist insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels ein Problem. Eine schrumpfende Bevölkerung in Lohn und Brot ist schlecht für Bruttoinlandsprodukt und Sozialstaat. Damit das Leben von immer mehr Senioren bezahlt werden kann, müssen die verbleibenden Arbeitnehmer produktiver werden.

Die digitale Revolution bleibt in Sachen Produktivität aber scheinbar folgenlos. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere westliche Industrienationen, insbesondere die Vereinigten Staaten. Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman fasst die Diskussion treffend zusammen: „It remains peculiar how we’re simultaneously worrying that robots will take all our jobs and bemoaning the stalling out of productivity growth. What is the story, really?”

Zu Ende gedacht …

Volkswirte sprechen von der sogenannten „Multifaktorproduktivität“ (oder auch der „Totalen Faktorproduktivität“), wenn sie die Restgröße von Wirtschaftswachstum beschreiben, welche weder durch zusätzlich eingesetztes Kapital, noch durch ein Mehr an geleisteter Arbeit erklärt werden kann. Laut einer aktuellen Studie im Auftrag des BDI, liegt der Beitrag der Multifaktorproduktivität zum deutschen BIP-Wachstum in der letzten Dekade bei fast Null. Die Expansion der heimischen Ökonomie lässt sich vor allem auf eine Steigerung der eingesetzten Arbeitsstunden zurückführen. Das überrascht kaum, schließlich haben deutsche Unternehmen seit Ende der letzten Krise massiv Personal aufgebaut.

Aber wie lässt sich eine stagnierende Produktivität in Zeiten irrsinnigen technologischen Fortschritts erklären? Klar, Staat und Unternehmen brauchen Zeit, um das Potenzial von Innovationen zu realisieren. Bahnbrechende Erfindungen entfalten ihre volkswirtschaftliche Wirkung nur ganz allmählich. Voraussetzung für Produktivitätswachstum wären allerdings mutige Investitionen. Und an denen fehlt es sehr häufig.

Innovationen laufen zum Teil ins Leere, weil sie schlicht nicht angeschafft werden. Daten der Weltbank zeigen, dass sich die Bruttoinvestitionen (als Prozentsatz des BIP) in Deutschland seit fast vier Jahrzehnten auf einem langsamen aber strukturellen Abwärtstrend befinden. Noch 1990 wurden mehr als 27 Prozent der volkswirtschaftlichen Leistung in den Wertzuwachs produzierender Vermögensgüter gesteckt. 2018 lag dieser Wert um über sieben Prozentpunkte niedriger. Zum Vergleich: China konnte im gleichen Jahr eine volkswirtschaftliche Investitionsquote von rund 44 Prozent vorweisen. Die digitale Revolution konnte am Rückgang der Zukunftsinvestitionen hierzulande bis heute nicht viel ändern.

Konsumieren statt investieren – dieses Motto gefährdet in Zeiten des demografischen Wandels den Wohlstand kommender Generationen. Es sind mehr Maschinen und nicht weniger, die einem alternden Volk den sozialen Frieden sichern. Diesen Zusammenhang predigen Fernsehphilosophen leider selten. Action required!

Quelle: capital.de

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