Echte Nachhaltigkeit geht anders

21.06.2022.

von: Prof. Dr. Reinhard Riedl – Berner Fachhochschule

«Corporate Digital Responsibility» ist ein vielversprechendes Instrument im IT-Marketing. Doch wer es mit der Sustainability wirklich ernst meint, sollte Transparenz mittels Open Data zum Leitprinzip machen.

Für mich besteht der Zweck eines Unternehmens darin, Probleme der Kundschaft zu lösen oder anderweitigen Wert für diese zu schaffen. Damit dürfen und sollen Unternehmen viel Geld verdienen. Doch das ist out: Heute wollen sie Nutzen für die Welt stiften. Selbst Konzerne, die märchenhaft viel Geld verdienen, orientieren sich an ideellen Werten wie den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) und der Corporate Social Responsibility (CSR). Mich irritiert das. Ich verstehe nicht, warum diese wertorientierten Firmen nicht einfach den Kunden die Milliarden zurückgeben, die sie ihnen zu viel abgeknöpft haben. Wie kann man etwas, das keinen Kundennutzen bringt, als sozial nachhaltig verkaufen?

Die Antwort ist simpel: Das ist die Magie des modernen Marketings. Vor etwa 50 Jahren begann man im Marketing damit, Bedürfnisse zu wecken, die es noch nicht gab. Seit etwa 20 Jahren lädt man Produkte mit ideellen Werten auf, die der Kundschaft ein gutes Gefühl und soziale Reputation verschaffen. Das Marketing begründet dies gern mit der Maslow-Pyramide, doch meist geht es darum, die Kundschaft dazu zu verleiten, überhöhte Preise zu zahlen oder Dinge zu kaufen, die sie nicht braucht.

Auffallend ist, dass gerade dort, wo aus idealistischer Gesinnung höhere Produktionskosten in Kauf genommen werden, etwa in der Bio-Landwirtschaft, weder Reichtum anfällt noch CSR-Texte verfasst werden. Warum wohl? Auffallend ist auch, dass einige der an einem «Massive Transformation Purpose» orientierten Konzerne stolz darauf sind, ihre Mitarbeitenden auszubeuten.

Wenn Firmen es mit ihrem Idealismus ernst meinen, sollten sie sich erstens auf die Einhaltung der Gesetze konzentrieren – und zwar nicht nur dem Buchstaben nach. In der Digitalwirtschaft gibts dafür genügend Handlungsbedarf, zumal es oft Erfahrung und Kreativität braucht, um eine hundertprozentige Compliance zu erreichen. Gesetzeskonformität braucht neben Willen auch Können.

Zweitens sollten Unternehmen Kundschaft, Mitarbeitende und andere Firmen fair behandeln. Im digitalen Bereich ist das für viele Unternehmen schmerzhaft. Drittens sollten Firmen sich konstruktiv für eine möglichst gute Regulierung der Digitalwirtschaft einsetzen. Wer darunter möglichst wenig oder möglichst späte Regulierung versteht, ist genauso unglaubwürdig wie die Gegenseite, die unter guter Regulierung mehr Einschränkungen und Pflichten für unternehmerisches Handeln versteht.

Viertens könnten Firmen die externalisierten Kosten ihrer Tätigkeit internalisieren – also aufhören, auf Kosten der Gesellschaft Gewinne zu machen, etwa durch weniger Umweltbelastung. Und fünftens könnten sie darüber nachdenken, wo sie den gesellschaftlichen Fortschritt zwecks Gewinnmaximierung blockieren. Das würde in vielen Sektoren zu Aha-Erlebnissen führen. Open Banking hat es gezeigt. Eine liberale Wirtschaftsordnung ist eine, die viel Wettbewerb zulässt, zum Nutzen der Kundschaft.

Die fünf aufgezählten Massnahmen kann man durchaus für den eigenen Wettbewerbsvorteil nutzen, wenn man zuallererst beginnt, Transparenz zu schaffen. Nicht mit Hochglanzprospekten, sondern mit Open Data!

Quelle: computerworld.ch

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