Manifest: Für ein digitales Europa

24.05.2019.

Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt. Wie aber kann eine kluge Regulierung aussehen? Europa könnte die Antworten liefern. Wir haben vorausgedacht.

Quelle: t3n.de

Die digitale Zukunft wird derzeit nicht in Europa erfunden. Während in China Arzttermine via Wechat gebucht werden und in Shenzhen nur noch Elektroautos als Taxis zugelassen sind, die USA mit Diensten wie Instagram, Whatsapp, ­Youtube oder Snapchat das gesamte Consumer-Internet der westlichen Welt beherrschen, reicht in Deutschland oftmals der Einstieg in den ICE, um vom digitalen Leben abgeschnitten zu werden – ganz zu schweigen von den Schlüsseltechnologien und Geschäftsfeldern von morgen.

Die Folge ist fatal – nicht nur in ökonomischer Hinsicht. Der Plattformkapitalismus des Silicon Valley stößt an ­soziale und moralische Grenzen, die Mischung aus autori­tärem Staatskapitalismus und digitaler Totalüberwachung in China entwickelt sich zunehmend in Richtung einer düsteren Dystopie. Dabei sind in Europa starke Werte wie sozialer Ausgleich, der Schutz der Privat­sphäre und die Begrenzung der Macht großer Konzerne in ein Regelwerk, das Verbraucher und Arbeitnehmer schützt, beim Bau der digitalen Zukunft gefragt wie nie. Das haben inzwischen sogar große Teile des Silicon Valley verstanden. Deshalb kann und sollte eine Antwort auf die Defizite der Digitalisierung aus Europa kommen. Und das Potenzial ist groß, wie unser Manifest zeigt.

1. Die Datenhoheit ist ein Grundrecht des Menschen. Wir müssen persönliche Daten aus der Kontrolle der großen Plattformen befreien

Der Zugriff auf Daten ist in einer digitalen Welt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Trotz neuerer Verordnungen wie der ­DSGVO ist für den einzelnen Nutzer noch immer nicht zu 100 Prozent ersichtlich, wie Plattformen und Dienstleister wann welche persönlichen Daten etwa zu Werbezwecken oder zur Verbesserung der Services tracken oder verarbeiten.

In unserer zunehmend vernetzten Welt ist es andererseits eine Illusion, zu glauben, dass wir mit einem Datenschutz aus dem vergangenen Jahrhundert die digitalen Akteure von heute klug regulieren. Innovation im Digitalen basiert zu einem großen Teil darauf, auf Basis großer Menge, auch persönlicher Daten, intelligente Geschäftsmodelle zu entwickeln, die für ihre Nutzer einen Mehrwert bieten. Beispiel Instagram: Wir füttern den Dienst mit Metadaten, Nachrichten, Bildern und Videos, erhalten im Gegenzug aber eine Kommunikationsplattform, die unser soziales Bedürfnis ins Digitale übersetzt.

Es ist auch keine echte Option, auf die Plattformen zu verzichten. Insbesondere Social-Media-Plattformen liefern mit starken Netzwerkeffekten überzeugende Gründe, dabei zu bleiben: Wer sich heute Diensten wie Whatsapp, ­Facebook, ­Instagram, Twitter oder Snapchat verweigert, verliert den Anschluss und Möglichkeiten der sozialen Teilhabe. Bei der Generation Z sind soziale Netzwerke und ­Messenger-Dienste so normal wie das morgendliche Aufstehen.

Europa hat die einmalige Chance, im Spannungsfeld ­zwischen Datenhoheit und digitalen Geschäftsmodellen globale Standards zu setzen. Eine höchstmögliche Transparenz und Kon­trolle bei der Verarbeitung personenbezogener Daten erhöht das Vertrauen der Nutzer in die von ihnen genutzten Dienste. Klare Vorgaben zur Anonymisierung zwingt die Dienstanbieter zu einem verantwortungsvollen Umgang mit erhobenen Daten. Eine Dateninteroperabilität macht es möglich, dass Nutzer ihre Daten zwischen verschiedenen ­Diensten – wie zum Beispiel Messengern verschiedener Anbieter – mitnehmen und senden können. Dafür brauchen wir offene Standards und Schnittstellen, die einen entsprechenden Datenaustausch ermöglichen.

2. Digitalisierung führt zu wachsendem Wohlstand. Die EU muss Techkonzerne substan­ziell besteuern, damit alle davon ­profitieren

Die Industriegiganten des 20. Jahrhunderts brauchten für den von ihnen erwirtschaften Reichtum noch viele Hunderttausende Mitarbeiter. Im Zeitalter der Digitalisierung ist die Wertschöpfung der großen Techkonzerne von Google-­Mutter Alphabet bis ­Amazon explodiert – doch dafür werden deutlich weniger Mitarbeiter benötigt. Der Wert wird heute zunehmend durch Software und Maschinen geschaffen. Statt einem Heer von gut bezahlten Facharbeitern beschäftigen Digitalkonzerne im Verhältnis zu ihrer Wertschöpfung meist nur ­relativ wenige gut ausgebildete Spezialisten und ­Manager. Die verdienen zwar dann extrem gut, doch in der Breite kommt der Wohlstand nicht an.

Ein Extrembeispiel ist Instagram: Facebook zahlte 2012 eine Milliarde US-Dollar für ein Unternehmen, das seit zwei Jahren existierte und 13 Mitarbeiter beschäftigte. Bei Microsoft arbeiten derzeit weltweit gerade einmal 135.000 Mitarbeiter – bei einem Börsenwert von zuletzt über einer Billion Dollar und über 110 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Der deutsche Autohersteller ­Volkswagen ist an der Börse ein Zwerg im Vergleich zu den Techkonzernen, beschäftigt aber über 655.000 Mitarbeiter. Der von den Techkonzernen geschaffene enorme Wohlstand verteilt sich also auf deutlich weniger Köpfe.

Das Problem der Steuervermeidung durch internationale Konzerne betrifft nicht nur Techkonzerne, aber diese besonders: Weil bei virtuellen Gütern oft nicht klar ist, wo diese hergestellt werden, haben insbesondere im Internet agierende Unternehmen wie Amazon und Alphabet einen besonders großen Gestaltungspielraum bei Steuerzahlungen. 2018 zahlte Alphabet mehr Strafen durch das Kartellverfahren in der EU als Steuern auf den Gewinn in den USA, Amazon bezahlte sogar überhaupt keine Steuern auf den Gewinn.

Der Versuch, virtuell erzeugte Güter und Dienstleistungen mit einer europaweiten Digitalsteuer zu belegen, ist vorerst gescheitert – Frankreich und Österreich gehen hier nun eigene Wege. Steuerrecht ist eben kompliziert und hat oft ­viele, nicht offensichtliche Nebenwirkungen. Trotzdem: Die Politik muss einen Weg finden, dass die enorme Wertschöpfung der Digitalkonzerne in Europa angemessen zum Gemeinwohl beiträgt und zum Beispiel Steuerschlupflöcher in Irland und Luxemburg schließen.

3. Eine stärkere soziale Absicherung ermöglicht mehr ­gesellschaftliche Teilhabe, ­Pioniergeist und ein ­selbstbestimmtes Leben

„Die Zukunft war früher auch besser“ – Kaum ein Satz beschreibt die derzeitige Gemütslage Europas in Bezug auf die Zukunft so gut wie dieses Bonmot von Karl Valentin. Die Schlagwörter des aktuellen technischen Fortschritts von künstlicher Intelligenz über Blockchain bis zu Robotern lösen vor allem Angst aus. Wie konnte es dazu kommen, dass technischer Fortschritt nicht mehr mit Utopien und einem besseren Leben für alle verbunden werden, sondern vor allem mit sozialen Abstiegsängsten?

Seit Ende der 1970er-Jahre hat sich die Produktivität der Wirtschaft von den Löhnen der Mehrheit der Arbeitnehmer in westlichen Ländern abgekoppelt. Als Volkswirtschaften sind wir also in der Lage, immer mehr und in besserer Qualität herzustellen – und brauchen dazu immer weniger Arbeit. Doch von diesem gesamtgesellschaftlichen Fortschritt profitierte in den vergangenen Jahrzehnten die relativ kleine Minderheit der Anteilseigner von Firmen deutlich stärker als die Breite der Bevölkerung.

Dabei ist es im Prinzip eine großartige Entwicklung, wenn wir als Menschheit in der Lage sind, immer mehr Werte ganz ohne menschliche Arbeit zu schaffen – es wäre nur schön, wenn möglichst viele davon profitieren.

Das beste Rezept gegen die Digitalisierungsangst ist unserer Meinung nach ein starker Sozialstaat, der über eine höhere ­soziale Absicherung die Ängste nimmt – und durch eine Grundabsicherung sogar in der Lage wäre, Gründer- und Pioniergeist zu wecken. Wer weiß, dass ihm keine Armut droht, ist eher bereit, das Risiko einer Gründung einzugehen und seine Talente für das einzusetzen, wofür das eigene Herz schlägt.

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